Upjever – Das letzte jüdische DP-Camp in der britischen Zone

Eingangstor zum DP-Lager. /Entrance gate to the DP camp. (Quelle/Source: Gedenkstätte Bergen-Belsen)
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Die Gründung des Staates Israel und die Liberalisierung der Einwanderungsgesetze in den USA und den anderen klassischen Immigrationsländern führten zur Auflösung der DP-Camps in Deutschland. In Bergen-Belsen verringerte sich die Bewohnerschaft, die zeitweise bis zu 10.000 betrug, im Frühjahr 1949 auf unter 5.000 und sank zum Stichtag 31. Dezember 1949 auf rund 1.000 Menschen. Die Schließung der Einrichtung war absehbar. Dennoch existierte das Lager noch bis zum Sommer 1950; es lebten dort hauptsächlich Menschen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht reisen konnten, kein Aufnahmeland fanden oder die auf ihre Visa für Nordamerika warteten. Insbesondere die Patienten im lagereigenen Krankenhaus wollten das Camp Belsen nicht verlassen: „Da es schließlich und letzten Endes das Ziel fast aller Kranken ist, nach Israel auszuwandern, wäre es angezeigt, den Kranken in Ruhe noch eine gewisse Zeit zu belassen“, baten sie und drohten damit, das „Krankenhaus nicht zu verlassen und wenn man uns als Leichen herausträgt.“

Da die britische Armee Jahre zudem plante, den Truppenübungsplatz Bergen und damit auch die Kaserne Hohne, in der das DP-Camp untergebracht war, für eigene militärische Zwecke zu nutzen, wurde ein Ausweichquartier für die noch in Bergen-Belsen verbliebenen Bewohner gesucht. Die Wahl fiel nach Erwägung verschiedener Alternativen schließlich auf den Fliegerhorst Upjever– gelegen zwischen Jever und Schortens im Landkreis Friesland. Die Gebäude waren im Mai 1945 von der britischen Militärregierung beschlagnahmt und anschließend von kanadischen, britischen, polnischen und dänischen Truppen genutzt worden. Nun verwandelte sich der Militärkomplex für rund ein Jahr in ein jüdisches DP-Camp, dem letzten innerhalb der britischen Zone. Mitte Juli 1950 bezogen etwa 1.000 jüdische DPs die leer stehenden Gebäude des Fliegerhorstes, der fortan den offiziellen Namen „Resettlement Transit Camp Jever“ trug.

Das Camp stand unter der Oberhoheit der britischen Behörden und wurde von der Internationalen Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen verwaltet. International tätige jüdische Hilfsorganisationen wie die britische Jewish Relief Unit (JRU) oder das American Jewish Joint Distribution Committee (AJDC) unterstützten die Bewohner mit Beratung und vielfachen Hilfslieferungen. Mit dem „Central Committee of Liberated Jews in the British Zone“ unter Leitung von Josef Rosensaft, das nun ebenfalls von Bergen-Belsen nach Upjever seinen Sitz verlegte, besaßen die Bewohner eine eigene Interessenvertretung und Lagerselbstverwaltung.

Nach einem AJDC-Report befanden sich die Gebäude und Einrichtungen in einem sehr guten Zustand: „Das in einem einsamen Waldgebiet, am Rande der Ortschaft gelegene Camp ist dem Anschein nach mit einem exklusiven Country Club vergleichbar. So ein DP-Camp wie auch die Klinik finden sie nirgendwo“, meinte der Inspekteur anerkennend. „Der Dank so eine Einrichtung bekommen zu haben, gebührt alleine Herrn Rosensaft, dem Präsidenten des Zentralkomitees. Ihm war es gelungen, den Briten diesen Gebäudekomplex abzuringen – als Gegenleistung für die von ihnen gewünschte Räumung des Lagers Belsen.“

Im Lagerkrankenhaus des neuen Camps waren auch nichtjüdische deutsche Ärzte und Schwestern beschäftigt. In Upjever fanden einige Hochzeiten statt und es wurden über 30 Kinder geboren. Zur Sicherheit der Bewohner war auch eine eigene jüdische Polizeitruppe tätig. Deutsche Behörden hatten auf dem Gelände und auf die Bewohner keine Zugriffsrechte, da den traumatisierten Shoa-Überlebenden solcher Kontakt mit Amtspersonen aus dem Land der Täter erspart bleiben sollte. Es gab kaum Kontakte zwischen den Camp-Bewohnern und der einheimischen Bevölkerung rund um den Militärflugplatz.

Im November 1950 hielten sich nach Schätzungen der britischen Militärregierung immer noch bis zu 1.000 Personen im Camp Jever auf, von denen aber nur rund 600 offiziell als Bewohner registriert waren. Der Rest setzte sich aus 142 illegalen Zuwanderern aus Frankreich, Belgien und Ungarn sowie 60 bis 80 Rückkehrern aus Israel und rund 200 Personen zusammen, die hier vorübergehend einquartiert waren und auf die Abreise nach Israel warteten. Anscheinend war die Gesamtzahl deutlich zu hoch angesetzt. Der US-amerikanische Adviser on Jewish Affairs, William Haber, ging lediglich von 550 bis 600 Personen aus. Davon bedurften etwa 80 gesundheitlich Angeschlagene psychische und/oder medizinische Hilfe, wobei 26 Patienten auf eine langfristige und kontinuierliche klinische Behandlung angewiesen waren.

Nach einer Verfügung der britischen Militärverwaltung sollte das Camp in Upjever im August 1951 aufgelöst werden, da es den meisten Juden zwischenzeitlich gelungen war, eine neue Heimat außerhalb Europas zu finden. Einige Bewohner gliederten sich auch in die neu entstandenen jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik ein. Zwei Tage vor der Schließung des Lagers Upjever am 15. August 1951 wurden 83 Bewohner in ein DP-Hospital ins oberbayerische Gauting und ins DP-Camp Föhrenwald südlich von München gebracht. Wenige Tage später, am 21. August, wurden die letzten jüdischen DPs im Rahmen einer Veranstaltung, an der neben dem britischen „Commissioner for the State of Oldenburg“ auch einige deutsche Offizielle teilnahmen, verabschiedet; sie traten die Reise nach Israel an. Damit kam das Kapitel der jüdischen Displaced Persons in Friesland zum Abschluss. „In Zusammenhang mit der Liquidation des letzten jüdischen DP Lagers Jever, früher Bergen-Belsen“, war nach Ansicht von Josef Rosensaft „das jüdische Problem in der britischen Zone Deutschlands beendet“. Nur in der US-amerikanischen Zone bestand jetzt noch ein „jüdischer Wartesaal“ – das Lager Föhrenwald existierte bis zum Februar 1957. – (hf/jgt)

Upjever – The last Jewish DP camp in the British zone

The founding of the State of Israel and the liberalisation of immigration laws in the USA and the other classic immigration countries led to the dissolution of the DP camps in Germany. In Bergen-Belsen, the resident population, which at times had been as high as 10,000, decreased to less than 5,000 in the spring of 1949 and fell to about 1,000 people by the effective date of December 31, 1949. The closure of the facility was foreseeable. Nevertheless, the camp continued to exist until the summer of 1950; it was mainly occupied by people who were unable to travel because of health reasons, who could not find a host country, or who were waiting for their visas for North America. It was the patients in the camp’s own hospital in particular who did not want to leave Camp Belsen: “Since after all the ultimate goal of almost all the sick is to emigrate to Israel, it would be appropriate to leave the sick in peace for a certain amount of time,“ they stated, threatening “not to leave the hospital – even carried out as corpses.”

As the British Army had also been planning for years to use the Bergen military training area, including the Hohne barracks where the DP camp was housed, for its own military purposes, alternative quarters were sought for the residents still remaining in Bergen-Belsen. After considering various alternatives, the choice finally fell upon the Upjever air base, located between Jever and Schortens in the district of Friesland. The buildings had been seized by the British military government in May 1945 and subsequently used by Canadian, British, Polish and Danish troops. Now, for about a year, the military complex was transformed into a Jewish DP camp, the last within the British zone. In mid-July 1950, about 1,000 Jewish DPs moved into the empty buildings of the air base, which from then on bore the official name „Resettlement Transit Camp Jever.“

The camp was under the sovereignty of the British authorities and was administered by the United Nations International Refugee Organisation. Internationally active Jewish relief organisations such as the British Jewish Relief Unit (JRU) or the American Jewish Joint Distribution Committee (AJDC) supported the residents with advice and multiple aid deliveries. With the „Central Committee of Liberated Jews in the British Zone“ headed by Josef Rosensaft, which had now also moved its headquarters from Bergen-Belsen to Upjever, the residents had their own representation of interests and camp self-administration.

According to an AJDC report, the buildings and facilities were in very good condition: „The camp, situated in a lonely wooded area on the outskirts of the village, is comparable in appearance to an exclusive country club. You will not find such a DP camp with such a clinic anywhere,“ the inspector said appreciatively. „The credit for getting such a facility belongs solely to Mr. Rosensaft, the president of the Central Committee. He succeeded in winning this complex of buildings from the British – in return for their desired evacuation of the Belsen camp.“

Non-Jewish German doctors and nurses were also employed in the hospital of the new camp. A number of weddings took place in Upjever and more than 30 children were born. A separate Jewish police force also operated for the safety of the residents. German authorities had no rights of access to the grounds or to the residents, since the traumatised Shoah survivors were to be spared such contact with officials from the country of the perpetrators. There was hardly any contact between the camp residents and the local population around the military airfield.

In November 1950, the British military government estimated that up to 1,000 people were still staying at Camp Jever, but only about 600 of them were officially registered as residents. The remainder consisted of 142 illegal immigrants from France, Belgium, and Hungary, as well as 60 to 80 returnees from Israel and about 200 persons who were temporarily accommodated there awaiting departure for Israel. Apparently the total number was significantly overestimated. The U.S. Adviser on Jewish Affairs, William Haber, assessed the number to be only 550 to 600 people. Of these, about 80 were in need of mental and/or medical help for health reasons, with 26 patients in need of long-term and continuous clinical treatment.

According to a British military administration order, the camp in Upjever was to be dissolved in August 1951, since most of the Jews had in the meantime succeeded in finding a new home outside Europe. Some residents also integrated into the newly established Jewish communities in the Federal Republic. Two days before the closure of the Upjever camp on August 15, 1951, 83 residents were taken to a DP hospital in Gauting in Upper Bavaria and to the Föhrenwald DP camp south of Munich. A few days later, on August 21, the last Jewish DPs were given a farewell at an event attended by the British „Commissioner for the State of Oldenburg“ and several German officials; they began their journey to Israel. And so the chapter of Jewish Displaced Persons in Friesland came to a close. „In connection with the dissolution of the last Jewish DP camp, Jever, formerly Bergen-Belsen,“ according to Josef Rosensaft, „the Jewish problem in the British zone of Germany was ended.“ Now only in the US-American zone was there still a „Jewish waiting room“ – the Föhrenwald camp existed until February 1957 – (Translation: CB)

Quellen | References

Archive | Archives

  • American Jewish Joint Distribution Committee Archives, New York
    AR 45/54 Germany
  • Central Zionist Archives, Jerusalem
    CZA 26/369
  • Yad Vashem Archives, Jerusalem
    RA 0.70
  • YIVO Institute for Jewish Research, New York
    Leo W. Schwarz Papers

Literatur | Literature

  • Holger Frerichs, „ein bemerkenswertes Kapitel des jüdischen Überlebens …”. Das Lager für Displaced Persons in Upjever (Friesland) 1950/51, Oldenburg 2019
  • Hagit Lavsky, New Beginnigs. Holocaust Survivors in Bergen-Belsen and the British Zone in Germany 1945–1950, Detroit 2002
  • Jim G. Tobias, Emden, Sengwarden, Jever. Die letzten jüdischen Displaced Persons Camps in der britischen Besatzungszone, in: Rebecca Boehling u. a. (Hg.), Freilegung. Displaced Persons, Jahrbuch des International Tracing Service, Bd. 3, Göttingen 2014

Lexikoneintrag | Lexicon entry

Upjever – Jüdisches DP-Lager | Jewish DP Camp

Letzte Aktualisierung: 14.06.2021