Die Jüdische Gemeinde in Osnabrück und der Region

Zeitungsausschnitt in jiddisch mit hebraeischen Schriftzeichen
Unter der Überschrift „Germanisze Bestien szendn unzere Hejliktimer!“ berichtet die Zeitung Undzer Sztyme über Friedhofschändungen in Hamburg, Eutin und Osnabrück. (Quelle/Source: nurinst-archiv)
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Als die Stadt im April 1945 von britischen Soldaten befreit wurde, lebten lediglich noch fünf Juden in Osnabrück. Mindestens 142 jüdische Männer, Frauen und Kinder waren Opfer des NS-Rassenwahns geworden; 238 emigrierten nach Übersee sowie in europäische Länder, wobei dort einige von ihnen erneut den Nationalsozialisten in die Hände fielen.

Nach dem Krieg ließen sich jüdische Überlebende in Osnabrück nieder. Das waren Befreite aus dem KZ Bergen-Belsen und einem nahegelegenen Kriegsgefangenenlager. Dort war auch Rabbiner Hermann Helfgott als jüdisch-jugoslawischer Soldat interniert gewesen. Unter seiner Leitung fand am 19. August 1945 ein erster Gottesdienst in einer rasch eingerichteten Betstube – im Haus der ehemaligen jüdischen Schule in der Rolandstraße – statt; die zur Einweihung nötige Thora-Rolle stammte aus dem in einem Kasernenkomplex entstandenen DP-Camp Bergen-Belsen. Auf Initiative von Rabbiner Helfgott, der später den hebräischen Namen Zvi Asaria annahm, wurden im Dezember 1945 für ermordete jüdisch-jugoslawische Kriegsgefangene sechs Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Osnabrück aufgestellt. Wie die im DP-Camp Bergen-Belsen verlegte jiddischsprachige Zeitung „Undzer Sztyme“ unter der Überschrift „Germanische Bestien schänden unsere Heiligtümer“ berichtete, wurden die Steine schon einige Tage nach ihrer Aufstellung beschädigt und umgeworfen. Bereits im September hatte die Gemeinde antisemitische Zuschriften erhalten und es ereignete sich ein Anschlag auf die behelfsmäßige Synagoge, bei der die Scheiben eingeworfen wurden. Zu dieser Zeit zählte die jüdische Gemeinschaft rund 40 Mitglieder, viele von ihnen stammten aus Osteuropa, daher war das „Jüdische Komitee“ auch Mitglied im „Zentralkomitee der befreiten Juden in der britischen Zone“.

Bis ins Jahr 1946 blieb die Zahl der Juden konstant bei etwa 40 Personen. Durch Zuzug insbesondere von jüdischen Flüchtlingen aus Polen wuchs die Mitgliederzahl des Jüdischen Komitees: „Die jüdische Gemeinschaft in Osnabrück umfasst 79 Mitglieder, von denen 44 in der Stadt leben, der Rest in kleineren Orten (Melle, Bentheim, Fürstenau, Haselünne, Sögel, Bippen) im Regierungsbezirk Osnabrück“, notierte ein Vertreter der Jewish Relief Unit im Sommer 1947. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die kleine jüdische Nachkriegsgemeinde bereits halbwegs stabilisiert und sogar eine kleine Bibliothek aufgebaut; obwohl nicht wenige, insbesondere die jüngeren Mitglieder, über ihre Auswanderung nachdachten. Geführt wurde die Gemeinde, die sich vermutlich ab Mitte 1947 nun „Israelitische Synagogengemeinde zu Osnabrück“ nannte, in den ersten Jahren vom Vorsitzenden Philipp Münz. Bis Ende 1948 blieb die Anzahl der Mitglieder in der Stadt und im Kreis konstant bei circa 80 Personen. Im Frühjahr 1949 verringerte sich ihre Zahl auf 73 Personen, von denen jedoch noch zwölf vor ihrer baldigen Übersiedlung nach Israel sowie drei in die USA standen.

Dessen ungeachtet existierte die Jüdische Gemeinde Osnabrück weiterhin. Obwohl ihr in den 1960er Jahren nur 60 Personen angehörten, beschloss sie 1969 ein neues Gemeindezentrum mit Synagoge zu bauen. Durch den Zuzug von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion ist die Zahl der heutigen Mitglieder auf rund 1.000 angestiegen. – (jgt)

The Jewish Community in Osnabrück and the Region

When the city was liberated by British soldiers in April 1945, there were only five Jews still living in Osnabrück. At least 142 Jewish men, women and children had been victims of the Nazi racial fanaticism; 238 emigrated overseas and to European countries, where some of them again fell into the hands of the National Socialists.

After the war, Jewish survivors settled in Osnabrück. These were liberated prisoners from the Bergen-Belsen concentration camp and a nearby prisoner-of-war camp. Rabbi Hermann Helfgott had also been interned there as a Jewish-Yugoslav soldier. Under his direction, the first religious service took place on August 19, 1945, in a prayer room quickly set up in the house of the former Jewish school in Rolandstraße; the Torah scroll necessary for the inauguration came from the Bergen-Belsen DP camp, which had been established in a barracks complex. On the initiative of Rabbi Helfgott, later adopting the Hebrew name Zvi Asaria, six gravestones were erected in the Jewish cemetery in Osnabrück in December 1945 for murdered Jewish-Yugoslav prisoners of war. The stones were damaged and knocked over only a few days after their installation, as reported by the Yiddish-language newspaper „Undzer Sztyme,“ published in the Bergen-Belsen DP camp, with the headline „Germanic monsters desecrate our shrines,“ Earlier in September the community had already received anti-Semitic letters and there was an attack on the makeshift synagogue in which the windows were broken. At that time, the Jewish community had about 40 members, many of them from Eastern Europe, and so the „Jewish Committee“ was also a member of the „Central Committee of Liberated Jews in the British Zone“.

Until 1946 the number of Jews remained constant at about 40 persons. Due to an influx of Jewish refugees from Poland in particular, the membership of the Jewish Committee grew: „The Jewish community in Osnabrück comprises 79 members, 44 of whom live in the city, the rest in smaller towns (Melle, Bentheim, Fürstenau, Haselünne, Sögel, Bippen) in the administrative district of Osnabrück,“ noted a representative of the Jewish Relief Unit in the summer of 1947. By that time, the small post-war Jewish community had already settled to some extent and even built up a small library, although quite a few – especially the younger members – were thinking about emigrating. The congregation, which presumably from mid-1947 now called itself the „Israelitische Synagogengemeinde zu Osnabrück“, was led during the first years by chairman Philipp Münz. Until the end of 1948, the number of members in the city and district remained constant at about 80. In the spring of 1949 their number decreased to 73 persons, twelve of whom, however, were about to emigrate to Israel and three to the USA.

Nevertheless, the Jewish community of Osnabrück continued to exist. Although it had only 60 members in the 1960s, it was decided in 1969 to build a new community centre with a synagogue. Due to the influx of Jews from the former Soviet Union, the number of current members today has risen to around 1,000. – (Translation: CB)

Quellen | References

Archive | Archives

  • Wiener Library, London
  • YIVO Institute for Jewish Research (Jewish DPs Periodicals), New York

Literatur | Literature

  • Zvi Asaria, Die Juden in Niedersachsen, Leer 1979
  • Herbert Obenaus, Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Bd. 2, Göttingen 2005
  • Jüdische Gemeinde Osnabrück

Lexikoneintrag | Lexicon entry

Osnabrück – Jüdische DP-Gemeinde | Jewish DP Community

Letzte Aktualisierung: 01.02.2022